Die bösartigen Erkrankungen der Schilddrüsen sind nicht häufig. Von den mehr als 500.000 Krebserkrankungen, die 2022 in Deutschland neu entdeckt wurden, fand sich bei nur etwa 4000 Frauen und nur etwa 1800 Männern ein Schilddrüsenkrebs. Damit ist dieser Krebs eigentlich eine der selteneren Erkrankungen. Die Heilungschancen sind aber im Allgemeinen sehr gut und betragen wenigstens 86 % und bis zu 95 % auf 10 Jahre, wenn die Behandlung richtig durchgeführt wird. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wohin man sich wenden kann.
In der Zeit zwischen 1990-2020 sind die Erkrankungsraten in Deutschland insbesondere bei Frauen angestiegen und sie bleiben seither hoch. Dieser Anstieg betrifft nahezu ausschließlich die papillären Schilddrüsenkarzinome, die in der Regel eine günstige Prognose haben. Die Gründe sind nicht ganz klar, könnten aber mit den verbesserten Geräten für die Ultraschalldiagnostik und der vielleicht auch zu viel ohne richtigen Anlass eingesetzten Diagnostik zu tun haben. Weltweit werden ähnliche Trends beobachtet.
Ionisierende Strahlung erhöht das Risiko für einen Schilddrüsenkrebs
Ionisierende Strahlung aus der Umwelt erhöht das Risiko für Schilddrüsenkrebs. Dies gilt mittlerweile als gesichert. Besonders im Kindesalter ist die Schilddrüse noch einmal mehr strahlenempfindlich. Es ist das Risiko für Schilddrüsenkrebs auch erhöht, wenn während einer Strahlentherapie die Schilddrüse im Strahlenfeld liegt. Auch die Aufnahme von radioaktivem Jod erhöht das Risiko (wie nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl in den betroffenen damaligen Sowjetrepubliken festgestellt wurde). Weitere ernährungs- oder lebensstilbezogene Risikofaktoren oder etwaige Umweltrisiken sind derzeit nicht sicher belegt. Außerdem ist nicht klar, warum Frauen häufiger betroffen sind als Männer. In der Vorgeschichte vieler Patientinnen und Patienten finden sich Jodmangel und gutartige Schilddrüsenerkrankungen, wie eine Struma ("Kropf") und Adenome. Ungefähr ein Fünftel der Betroffenen mit den seltenen medullären Schilddrüsenkarzinomen trägt genetische Veränderungen, die auf eine bestimmte Art und Weise (autosomal dominant) vererbt werden. Das medulläre Schilddrüsenkarzinom kann auch zusammen mit anderen endokrinen Tumoren auftreten – im Rahmen einer sogenannten multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (MEN 2). Auch bei den papillären Schilddrüsenkarzinomen wird eine genetische Komponente vermutet. Mehr ist aber nicht bekannt.
(Quelle: aus „Krebs in Deutschland, 1.11.2023; Robert Koch-Institut, Berlin, Zentrum für Krebsregisterdaten)
Was tun beim Verdacht auf eine bösartige Erkrankung der Schilddrüse?
Mehr als in jedem anderen Land in Europa wird in Deutschland schon aufgrund eines Verdachts „ein Krebs an der Schilddrüse könnte vorliegen“ operiert. Aus diesem Grund ist eine gründliche und abwägende Zweitmeinung vor einer Entscheidung zur Operation nötig und keine eilige Operation. Am Endokrinen Zentrum in Stuttgart sind wir überzeugt, dass viele dieser Operationen vermeidbar wären. Auch deshalb ist es wichtig zu wissen, an wen man sich wendet.
Unser multidisziplinäres Konzept bezieht verschiedene Fachbereiche wie Endokrinologen, Nuklearmedizinern, Radiologen, Pathologen und Endokrine Chirurgen ein und versucht, den Verdacht auf das möglicherweise Vorliegen eines Schilddrüsenkrebs optimal abzuklären und nur die wirklich nötigen Fälle zu operieren. Unsere „Auffindequote“ beträgt derzeit 1 von 4 Fällen, in denen wir glauben es könne ein Krebs vorliegen. Der Durchschnitt in Deutschland ist vielfach 1 von 10 Fällen und bedeutet viele nicht nützliche Operationen.
Um das Ziel möglichst präziser Entscheidungen für eine Operation zu erreichen nutzen wir eine hochkomplexe Ultraschalldiagnostik mit Elastographie und KI-unterstützten 3D-Auswertetools, ferner die Feinnadelprobenentnahme (FNAC), bei Bedarf mit Molekularpathologie und spezielle radiologische und szintigraphische Verfahren.
Wir behandeln mehr als 300 Fälle mit Schilddrüsenkarzinomen operativ und sind damit auf diesem Gebiet eine der führenden Kliniken in Deutschland. Auch deshalb ist die Endokrine Chirurgie ein von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierter Onkologischer Schwerpunkt für Schilddrüsenkarzinome im Onkologischen Zentrum des Diakonie-Klinikums Stuttgart.
Wir führen Sie durch Diagnostik und Therapie – Ihr persönlicher Therapielotse
Wenn ein Schilddrüsenkrebs festgestellt wurde, bleiben wir an Ihrer Seite.
Um die optimale Behandlung festzulegen, besprechen wir jeden Fall immer ganz individuell in unseren wöchentlichen Konferenzen, zusammen mit einem erfahrenen Team von Onkologen, Endokrinologen, Nuklearmedizinern, Radiologen, Pathologen, den Strahlentherapeuten und uns, den Endokrinen Chirurgen. Im Bedarfsfall können wir über das Nationale Online Tumorboard auch eine Vernetzung mit den besten Expertinnen und Experten im gesamten deutschsprachigen Europa herstellen. Denn keine Krebserkrankung ist gleich und die Herausforderung besteht darin, genug zu tun damit das Erreichte gut bleibt, aber nicht zu viel zu tun, als dafür auch nötig ist, weil das auch schädlich sein kann.
Das Ziel ist eine individuell angepasste „personalisierte“ Therapie, die auch Informationen zu den molekularen Besonderheiten des individuellen Krebs einbezieht. Dann diskutieren wir mit Ihnen den besten Weg, um beispielsweise eine Anschlusstherapie wie eine Radiojodtherapie oder eine langfristige Verlaufsbeobachtung zu starten. Was da genau zu tun ist und das Wann und Wo und durch Wen besprechen wir ausführlich und wir machen zusammen mit Ihnen einen Plan.
Auch die Ersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen und die dafür notwendigen Kontrollen legen wir zusammen fest. In der geplanten Nachsorge ist der Betrachtungszeitraum immer sehr langfristig und beträgt stets um die 10 Jahre.
Aktuell bauen wir für unsere Patientinnen und Patienten mit besonderen Schilddrüsenkrebsen die Funktion eines Therapie-Lotsen als Pilotprojekt auf. Das ist eine speziell für diese Besonderheiten qualifizierte Person, die Sie immer ansprechen können und die für Sie da ist. Jemand, der die Pläne mit Ihnen zusammen erstellt und dafür sorgt, dass die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Und dass immer alle Informationen wieder zusammenkommen, wenn sich neue Entwicklungen ergeben.
Aktive Forschung gegen den Schilddrüsenkrebs
Seit vielen Jahren sind wir aktiv an vielen Forschungsprojekten zur Weiterentwicklung der modernen Schilddrüsen-Krebstherapie beteiligt. Für die fundierte Erforschung des Schilddrüsenkrebs wächst – dank der Zustimmung vieler Patientinnen und Patienten – eine Biomaterial- und Gewebebank. Die von unseren Patienten zur Verfügung gestellten Proben leisten einen wichtigen Beitrag für die Grundlagenforschung, um gemeinsam in der Zukunft noch erfolgreicher bei der Behandlung zu sein.
Aufgrund unseres langjährigen Engagements sind wir Kooperationspartner forschender Universitätskliniken, der forschenden Pharamindustrie und Kooperationspartner des Nationalen Krebszentrums (NCT). So sichern wir auch auf diese Weise für unsere Patientinnen und Patienten den Zugang zu den neuesten Therapien und den aktuellen Studien. Die Prognosen sind in den meisten Fällen gut, aber wir sind immer vorbereitet, wenn Mehr notwendig werden sollte.